hzol 2.Administrator
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| Thema: Berlin - Gut bewachter Geisterbahnhof Mi 13 Feb 2013 - 16:18 | |
| - Zitat :
- Durch die längst fertige Station unterhalb des Flughafens BER rollen leere Züge
POTSDAM - Nach der Endhaltestelle am alten Schönefelder Bahnhof (Dahme-Spreewald) geht die Fahrt für Stefan Krüger (Name von der Redaktion geändert) mit seiner S-Bahn oft noch weiter. Entlang der Fernbahntrasse Richtung Blankenfelde fährt er auf neuen Gleisen quer durch Felder weiter geradeaus. Sein Ziel: der seit mehr als einem Jahr fertige neue Bahnhof unterhalb des noch lange nicht betriebsbereiten Desaster-Flughafens BER. Seine Mission: die bislang ungenutzte riesige Halle unter Tage lüften. Sonst würde der samt Schienenanbindung 636 Millionen Euro teure unterirdische Bahnhof wohl Schimmel ansetzen und auf Dauer funktionsuntüchtig werden.
Auf der Hälfte der Strecke bei Waßmannsdorf geht es für Krüger links ab. Eine scharfe U-Kurve schraubt sich nicht weit von der Nordlandebahn des neuen Flughafens in die Tiefe. Der Triebwagenführer bremst nicht besonders stark ab. „Die fahre ich gern schnell“, sagt er grinsend. Das sei dann ein bisschen wie im Flieger. „Das sind so die kleinen Freuden eines S-Bahn-Lenkers“, schmunzelt der 22-Jährige.
Nach der Kurve führen die Gleise noch einmal rechts in südöstliche Richtung. Dann kommt auch schon der Eingang in den Tunnel, der in die Bahnhofshalle mündet. Durch den hellen Beton der etwa 50 Meter breiten viereckigen Pforte führen zwei S- und zwei Fernbahngleise über rund eineinhalb Kilometer zum Bahnhof. Der rechteckige Tunnel ist taghell ausgeleuchtet.
Die beiden S-Bahn-Gleise wurden schon vor dem Bahnhof durch eine Zwischenwand von der Fernbahntrasse abgetrennt. Dazwischen sind Fluchtwege angelegt worden. Nach einer Linkskurve im Tunnel schwenkt Krüger mit seinem Triebzug parallel zu den brach liegenden Startbahnen oben in die Bahnhofshalle ein, die quasi im Dornröschenschlaf liegt. Die zwei S-Bahn-Gleise teilen sich einen Mittelbahnsteig. Für die Fernbahn gibt es zwei weitere. Die Halle ist rund 400 Meter lang und die Decke von Doppelsäulen im Abstand von fünf Metern abgestützt.
Nur unterbrochen von den manchmal einfahrenden Zügen herrscht hier eine unheimliche Stille. Es ähnelt ein bisschen einem riesigen verwaisten Parkhaus. Wenn da nicht die annähernd zwanzig Sicherheitsleute gelangweilt die Bahnsteige auf und abschreiten würden. Es habe zwar noch keine Fahrgäste, dafür aber anderes unerwünschtes Publikum gegeben, das den Bahnhof mit Graffiti „verschönt“ hat, weiß Krüger.
Der gebürtige Zwickauer fühlt sich dort unten manchmal wie „in der Zeit zurückversetzt“. Ungefähr so muss es gewesen sein in den Geisterbahnhöfen in Berlin vor dem Mauerfall, von denen ihm ältere Kollegen erzählt haben. Auch dort standen Wachmänner an verrammelten Aufgängen, allerdings schwer bewaffnet. Entlang der U-Bahnlinien U6 und U8 sowie der S-Bahn-Trasse in Nord-Süd-Richtung gab es diese unheimlichen Stationen. Die aus dem Westen kommenden Züge hielten zu DDR-Zeiten nicht und für die Ostberliner waren sie Sperrgebiet.
Der Aufenthalt für Krügers S-Bahn dauert zwar noch nicht einmal zehn Minuten, aber er zieht sich, weil nichts passiert. Reinfahren, stoppen und rückwärts wieder rausrollen – das ist das ganze Lüften. Drei bis viermal im Monat macht Krüger das. „Keine Fahrgäste zu haben, ist auch mal was anderes“, meint er. MA |
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