hzol 2.Administrator
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| Thema: Warum die Lok gegen den Lkw keine Chance hat So 10 Jan 2016 - 17:04 | |
| - Nikolaus Doll schrieb:
- Der Warenverkehr boomt, der Schienengüterverkehr erlebt jedoch einen Niedergang. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Ländern. Die Deutsche Bahn will das jetzt ändern.
Das Thema Börsengang bei der Deutschen Bahn ist doch nicht ganz tot. Eine komplette Privatisierung des Staatskonzerns – selbst ohne Schienennetz –, wie unter Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) geplant, ist zwar keine Option mehr. Das ist der eigentliche Hauptgrund, unter dessen Folgen die Bahn heute noch zu leiden hat. - Nikolaus Doll schrieb:
- Aber ein Verkauf von Anteilen der DB-Töchter Arriva, in welcher der Personenverkehr im Ausland gebündelt ist, und des Logistikgeschäfts sind fest eingeplant. "Die Mehrheit werden wir aber immer behalten. Das sind schließlich unsere schönsten Töchter im Konzern", sagt Finanzvorstand Richard Lutz.
Um ehrlich zu sein: Arriva und DB Schenker Logistics sind derzeit die einzigen ansehnlichen Töchter im Bahn-Konzern – wenn man das am Gewinn festmacht. Es sind die einzigen Sparten, die richtig Geld verdienen und nicht mit deutlichen Rückgängen kämpfen. Im Fernverkehr war das operative Ergebnis im ersten Halbjahr 2015 um mehr als die Hälfte auf nur noch 58 Millionen Euro eingebrochen. DB Regio hatte vor Steuern im ersten Halbjahr vergangenen Jahres 137 Millionen Euro weniger verdient als im Vorjahreszeitraum. DB Fernverkehr bricht ein, kein Wunder wenn die Angebote nicht mehr stimmen und Linien gekürzt oder gestrichen werden und teilweise ganze Regionen vom Fernverkehr abgekoppelt werden. DB Regio verliert eine Ausschreibung nach der anderen. Die Vergabe des SPNV´s durch die Länder ist ein Rückschritt in die Kleinstaaterei des Mittelalters. Jeder Landesfürst will sein eigener König sein und jeder kocht sein eigenes Süppchen. Selbst Fahrzeuge vom gleichen Hersteller und der selben Baureihe sind in unterschiedlichen Regionen nicht mehr austauschbar. Überall wird nach belieben minimiert, stillgelegt und eingespart, so dass ein flexibeler Einsatz der Fahrzeuge gar nicht mehr möglich ist. - Nikolaus Doll schrieb:
- Wirklich dramatisch wird die Situation der Bahn aber durch die Schieflage im Schienengüterverkehr. Der steckt mit einem Minus von 74 Millionen Euro tief in den roten Zahlen. Wieder einmal. Nun sollen bis zu 2600 Arbeitsplätze gestrichen und 1,3 Milliarden Euro auf die Schienengütersparte abgeschrieben werden. Allein das wird den DB-Konzern insgesamt in die Verlustzone drücken. Nach Jahren mit immer neuen Gewinnsteigerungen.
Kein Wunder, wenn immer mehr Bahnhöfe in Haltepunkte umgebaut werden und in den größeren Bahnhöfen immer mehr Güteranlagen zurückgebaut werden. Darunter leidet natürlich auch die Durchlässigkeit der Strecken und folglich auch die Pünktlichkeit. Große Güterverkehrszentren, die weit von einander entfernt sind, spielen nur dem LKW-Verkehr auf der Strasse in die Hände. - Nikolaus Doll schrieb:
- "Die anderen staatlichen Güterbahnen verdienen auch kein Geld", begründet Bahnchef Rüdiger Grube die schwache Leistung von Schenker Rail.
Eine ziemlich billige Ausrede - Nikolaus Doll schrieb:
- Europaweit steckt der Güterverkehr in der Klemme
Das klingt etwas hilflos, beschreibt aber den Kern des Problems. Tatsächlich sind derzeit so ziemlich alle ganz großen Güterbahnen in Europa Problemfälle. "Der europäische Schienengüterverkehr steckt in einer tiefen Krise. Die Leistung der Güterbahnen liegt deutlich unter dem Niveau der Jahre 2007 und 2008, sagt Maria Leenen vom Bahn-Beratungsunternehmen SCI. "Die Ergebnisse der Güterbahnen sind alles andere als befriedigend."
Dabei werden immer mehr Waren quer durch Europa transportiert. Und von einer gesamteuropäischen Dauerwirtschaftskrise kann man auch nicht sprechen. Gerade die deutsche Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren als äußerst robust erwiesen. Folglich legte der Güterverkehr hierzulande auch zwischen 1991 und 2013 um mehr als 60 Prozent zu.
Aber die Bahn als Transportmittel profitiert davon kaum, im Gegenteil. Zugenommen haben vor allem die Lkw-Transporte. Der Anteil von Bahn und Schiffen am Güterverkehr war noch 1980 genauso groß wie jener der Lkw. In den Krisenjahren 2008 und 2009 ging der Güterverkehr auf der Schiene dann deutlicher zurück als der Transport per Lkw. Inzwischen hat die Schifffahrt einen Anteil von unter zehn Prozent, die Bahnen von unter 20 Prozent – von den wenigen Pipelines abgesehen, wird der übergroße Rest auf der Straße transportiert. Und der Streik der Lokführergewerkschaft GDL hat die Deutsche Bahn erneut Kunden im Gütergeschäft gekostet, die bis heute nicht voll zurückgewonnen werden konnten. Da die Bahn mit ihrer derzeitigen "Ich schaff mich selber ab"-Politik den Ansprüchen hauptsächlich von kleineren Kunden nicht gerecht werden kann, wen wundert´s. Früher war die Bahn einmal ein sehr flexibel arbeitendes Verkehrsunternehmen, aber diese Flexibilität hat die Bahn schon lange verloren. - Nikolaus Doll schrieb:
- EU will auf die Schiene
Es gibt zwar Länder, die wickeln ihren Güterverkehr zum größten Teil über die Schiene ab, die Schweiz zum Beispiel, oder die baltischen Staaten. Aber das Gros der Flächenländer hat sich vom Schienengüterverkehr schon so gut wie verabschiedet: In Spanien hat er noch einen Anteil an der Gesamttransportleistung von fünf Prozent, in Großbritannien und Italien von 13 Prozent, in Frankreich von 15 Prozent. Der Durchschnitt in der EU, einschließlich der Türkei, lag 2014 bei nur noch bei 22 Prozent.
Dabei ist es ein erklärtes Ziel der EU-Kommission und vieler Mitgliedsstaaten den ständig steigenden Warenverkehr auf die Schiene zu verlagern. Und das schon aus Gründen des Umweltschutzes. Dafür wurde in vielen Ländern viel Geld in die Hand genommen, um die nötige Infrastruktur auszubauen oder zu erhalten. Und tatsächlich gibt es Güterbahnen, die durchaus profitabel sind.
"Natürlich kann man im Schienengüterverkehr weiterhin Geld verdienen", sagt Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbandes "Netzwerk Europäischer Eisenbahnen" mit knapp 40 Mitgliedsunternehmen, zu denen die großen Staatsbahnen in aller Regel nicht zählen. "Praktisch alle unsere Mitgliedsunternehmen machen Gewinn. Allerdings sind die Margen inzwischen oft so gering, dass Investitionen nur noch schwer zu stemmen sind", so Westenberger. Schön, aber dann sollte die EU auch etwas dafür tun und nicht nur halbherzige Beschlüsse fassen. So wie mit dem neuen europäischen Zugsicherungssystem ETCS geschehen ist. Es gibt zwar einen gemeinsamen Namen, aber die Umsetzung in den einzelnen Ländern ist doch viel zu unterschiedlich, um zum Beispiel vom Land A nach Land B über Land C mit einem System durchfahren zu können. - Nikolaus Doll schrieb:
- Schienengüterverkehr litt unter Finanzkrise
Zwar wächst das Gütervolumen seit geraumer Zeit jährlich im Durchschnitt um rund zwei bis drei Prozent. Und vor der Finanzkrise ab 2008 legte auch der Transport auf den Schienen zum Teil kräftig zu. Die neue, zum großen Teil private Konkurrenz, die die Deutsche Bahn in den Jahren zuvor bekommen hatte, gab dem Schienengüterverkehr in Deutschland zusätzlichen Schwung. Und das so sehr, dass nach den Plänen der Bundesregierung der gesamte Zuwachs beim Warentransport über die Schiene abgewickelt werden sollte – doch das funktionierte nicht. "Der Schienengüterverkehr ist seit der Finanzkrise nicht mehr auf die Beine gekommen", so Westenberger.
Wenn man das bei den zumeist privaten Güterbahnen angeblich nicht sehen kann, bei den großen Staatsunternehmen schauen die Bilanzen alarmierend aus. Die Schienengütersparten schreiben zum Teil tiefrote Zahlen. Zum Beispiel seit 2010 Fret SNCF (Frankreich) oder Trenitalia Cargo (Italien), SNCB Logistics (Belgien) oder Renfe Mercancias (Spanien).
Die Güterbahnen Polens und der Österreicher fahren immerhin seit 2012 etwas Gewinn ein, die Schweizer seit 2014. Da schneidet Grubes Sorgenkind, DB Schenker Rail – der mit Abstand größte Anbieter in Europa – im Vergleich gar nicht mal so schlecht ab. Immerhin wurden dort in den vergangenen vier Jahren zumindest keine Verluste gemacht.
Drei Gründe für Talfahrt
Für die Talfahrt der großen Güterbahnen gibt es drei entscheidende Gründe. Da sind zunächst die vielerorts überlasteten Schienenwege. Die großen Korridore und Knoten sind chronisch verstopft. Dabei hat Deutschland die Besonderheit, ein Mischnetz zu haben. Das heißt auf bestimmten Trassen fahren Güter- und Personenzüge, Nah- und Fernverkehrsbahnen gleichzeitig. Güterzüge haben dort immer Nachrang – und halten daher oft die geplanten Zeiten nicht ein. "Unser Problem sind die Instabilität und Komplexität des Schienengüterverkehrs", gibt ein DB-Manager zu. "Wir sind mit der Qualität der Leistung nicht zufrieden, vor allem was Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit angeht."
Es gibt Länder, in denen Güterbahnen hohe Gewinne einfahren, aber die haben ganz andere Voraussetzungen als die meisten Staaten in Europa. Zum Beispiel die USA. Dort haben die Betreiber ihre eigenen Netze, die Züge verkehren dort ohne Einschränkungen durch andere Bahnen oder Personenzüge. Sie können bis zu zwei Kilometer langen Lindwürmern gekoppelt und mit zweistöckigen Wagen gefahren werden, was hierzulande unmöglich wäre.
Damit haben die US-Güterzüge nicht nur freie Fahrt, sie können auch deutlich rentabler arbeiten. Was in einem derart fixkostenlastigen Geschäft wie dem Schienengüterverkehr nicht gerade leicht ist. Loks und Waggons sind teuer, die Instandhaltung des Netzes ebenfalls. Hinzu kommen Gleisanschlüsse, Zugangsstellen zum Netz, Rangier- und Knotenbahnhöfe, Ablaufberge zum Zusammenstellen der Züge und jeweils das Personal dafür. Um die Kosten für all das einzuspielen, müssen die Züge mit optimaler Auslastung fahren.
Grenzen behindern
Langzüge in den USA können das leichter als die Güterbahnen in Europa, die zudem eine Vielzahl von Grenzen überwinden müssen – Grund zwei, der die Bahnen bremst. Bei DB Schenker Rail sind 40 Prozent des Verkehrs grenzüberschreitend. Und mögen Kontrollen zwischenzeitlich auch eingestellt worden sein, für Güterzüge bedeutete und bedeutet jede Grenze ein Hindernis, oft einen Halt, Zeitverzögerung. Eisenbahnen sind seit jeher eine nationale Angelegenheit.
"Praktisch jedes Schienennetz der verschiedenen Ländern hat seine eigenen technischen Standards. Grenzen sind Hürden für Bahnen", sagt Maria Leenen. "Züge, die EU-Grenzen überfahren wollen, brauchen entsprechend ausgerüstete Lokomotiven. Sie müssen für unterschiedliche Signal- und Stromsysteme ausgelegt sein. Die Lokführer müssen die verschiedenen Systeme beherrschen und die Regeln kennen. Die Deutsche Bahn hat diese Loks und das entsprechende Personal für diese Anforderungen zunehmend – doch das ist teuer.
Die schärfsten Rivalen der Güterbahnen, die Lkw-Spediteure, kämpfen mit diesen Problemen nicht – und das ist die dritte große Bremse für den Schienengüterverkehr. Ein Laster fährt in Weißrussland ebenso wie in Portugal. Lkw-Spediteure haben nicht den Personalaufwand wie die großen Staatsbahnen und ihre Gütersparten. Sie haben nicht die Instandhaltungs- und Nutzungskosten für die Infrastruktur. Die Lkw-Maut ist nicht wie die Trassengebühr in den vergangenen Jahren mächtig gestiegen. Die Lkw-Spediteure fahren mit immer billigerem Diesel, die Güterbahnen müssen für ihre E-Loks immer höhere Strompreise bezahlen.
Güterloks sind unverkäuflich
Und läuft das Geschäft nicht, werden die Laster einfach weiterverkauft, die Fahrer, von denen viele ohnehin Ein-Mann-Unternehmen sind, nach Hause geschickt. Güterloks sind dagegen so gut wie unverkäuflich, weil es keinen internationalen Markt dafür gibt. Und das Personal, allein bei DB Schenker Rail in Deutschland 18.000, ist durch Tarifverträge geschützt. In einem reinen Preiskampf hat der Schienengüterverkehr nicht den Hauch einer Chance gegenüber dem Lkw-Transport. Doch aller staatlichen Ziele zum Trotz müssen sich die Bahnen den Lkw-Spediteuren im Wettbewerb stellen. "Die Lkw bestimmen den Preis, die Bahnen müssen sich daran orientieren", sagt Maria Leenen.
Fährt der Schienengüterverkehr also seinem Ende entgehen? Trotz aller Probleme wohl nicht. Die kleinen, oft privaten Güterbahnen, die bislang den Lkw-Spediteuren trotzen konnten, haben ihre Wettbewerbsfähigkeit bewiesen. Die Warenströme werden weiter anschwellen, und die Straßen können nicht all die zusätzlichen Verkehre aufnehmen. Und es gibt weiterhin den Willen bei vielen Regierungen, den Schienengüterverkehr zu unterstützen. Aus Klimaschutzgründen und um nicht noch mehr Straßen bauen zu müssen.
Die Güterbahnen haben also dann eine Chance, wenn sie rentabler werden. Und auch bei der Deutschen Bahn räumt man ein, dass es da noch reichlich Nachholbedarf gibt. "Wir produzieren zu teuer, zu kompliziert. Da müssen wir ran", sagt ein DB-Manager. Schienenexpertin Leenen glaubt, dass sich jene Güterbahnen, die auch in Zukunft das gesamte Sortiment des Schienengüterverkehrs anbieten, weiter schwer tun werden. Sie rät zu Kooperationen mit kleineren Anbietern. Welt |
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