hzol 2.Administrator
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| Thema: Auf unterschiedlichen Schienen Fr 16 Sep 2011 - 19:32 | |
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- Der öV in der Schweiz und in Europa als Thema eines Symposiums in Bern
An einem Symposium zur Zukunft des öffentlichen Verkehrs haben die Beteiligten den Blick in die öV-Zukunft der Schweiz, aber auch auf europäischer Ebene gewagt. Die für den Ausbau des Schienennetzes nötige Finanzierung ist dabei nicht die einzige Herausforderung.
Urs Bloch, Bern
Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist ein Markt, der in den letzten Jahren ein geradezu phänomenales Wachstum aufwies. Auch die Zukunft sieht gut aus, die Ansprüche der Gesellschaft an die Mobilität sind ungebrochen, die Arbeit wird der Branche nicht ausgehen.
Vor diesem Hintergrund müsste man an einem Symposium im Rahmen der Fachmesse «Suissetraffic» eigentlich Jubelstimmung erwarten. Am Dienstag gab es in Bern aber auch mahnende Worte zu hören.
Es kann auch zuviel sein
So fragte Daniel Steiner, Präsident des Fachverbandes Swissrail, ob man in der Schweiz nicht in eine «Übermobiliät» hineinlaufe. Man müsse sich fragen, was in diesem dichtbesiedelten Land noch möglich ist. Steiner liess es sich nicht nehmen, auf die Leistungen seiner Branche und eine der grössten Herausforderungen für die kommende Zeit hinzuweisen: den starken Franken. Die Branche wird in nächster Zeit mit grösseren Problemen vor allem im Export zu kämpfen haben. Steiner appellierte deshalb an die Adresse der Politik, dies durch vorgezogene Investitionen im Inland auszugleichen.
Die Finanzierung sowohl des Unterhalts bestehender Anlagen wie auch von geplanten Ausbauvorhaben sind mittlerweile beim zuständigen Departement zu einem zentralen Thema geworden, wie Infrastrukturministerin Doris Leuthard ausführte. Die Bundesrätin wies auf die historisch gewachsene komplizierte Struktur der Finanzierung hin. Diese gelte es nun, mit dem geplanten neuen Fonds (BFI) zu entflechten.
Gegen politische Launen
Der Fonds ermöglicht laut Leuthard eine langfristige Planung, die somit kurzfristigen politischen «Launen» des Parlaments entzogen werden kann. Gleichzeitig ist sich die Infrastrukturministerin bewusst, dass die Finanzen nie ausreichen werden, um alle vorhandenen Wünsche zu erfüllen. Eine stärkere Nutzerfinanzierung sei deshalb angezeigt – nicht zuletzt aus Fairness gegenüber der Strasse. Die Bundesrätin nannte in diesem Zusammenhang die Erhöhung der Trassenpreise, die der Bundesrat letzte Woche beschlossen hatte.
Hingegen ging Leuthard in ihrer Rede nicht näher auf die Kantonsbeiträge und die Streichung der Pendlerpauschale bei den Steuern ein. Ständerat und Litra-Chef Peter Bieri sollte später an einer Podiumsdiskussion genau auf diese Punkte zurückkommen und feststellen, dass es hier nach wie vor Anlass zu Kritik gebe. Bieri, Mitglied der ständerätlichen Verkehrskommission, gab Leuthard deshalb auf den Weg, dass der Bund seinen Anteil am BIF noch erhöhen sollte.
Kantone können vorfinanzieren
Die Bundesrätin pries die Infrastrukturplanung in einzelnen Schritten, weil diese auch Planungssicherheit – nicht zuletzt für die Branche – bringe. Den Kantonen soll es mit dem neuen Regime aber freigestellt werden, einzelne Projekte künftig vorzufinanzieren.
Leuthard blickte in ihren Ausführungen auch über die Grenze und sagte, dass sie immer gerne an europäischen Verkehrsministertreffen teilnehme, weil die Schweiz dort im Bereich des öffentlichen Verkehrs oft als erfolgreiches Modell gepriesen werde. Für Sorgenfalten sorgen hingegen die fehlenden Anschlüsse an die neue Alpentransversale sowohl in Italien als auch in Deutschland.
In der EU gibt es viel zu tun
Die Einsicht, dass innerhalb der EU viel über die Förderung des öffentlichen Verkehrs gesprochen, aber nicht immer entsprechend gehandelt wird, teilten auch Marcel Verslype, Direktor der europäischen Eisenbahnagentur, und Michael Cramer, Mitglied der Grünen im europäischen Parlament. Die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene ist laut Cramer ein Teil von «Sonntagsreden», in der Realität verliere die Schiene in Europa jedoch Anteile an andere Verkehrsträger.
Cramer sieht die Gründe dafür in falschen Anreizen für die Strasse und die Schiene (einseitige fiskalische Belastung der Schiene), aber auch in einer fehlenden europäischen Planung des Eisenbahnnetzes. Hier würden beim Ausbau oft die Prioritäten falsch gesetzt. Der Grüne ist kürzlich selbst mit dem Zug von Berlin nach Talinn gefahren und brauchte dafür bei mehrfachem Umsteigen 60 Stunden. Die Dampfeisenbahn bewältigte dieselbe Strecke früher in 27 Stunden.
Denken in nationalen Grenzen
Denn für Cramer ist klar: Eisenbahnunternehmen in der EU denken national, um Fortschritte zu erzielen, wäre aber ein europäischer Ansatz nötig. Mit sichtbaren und unsichtbaren Grenzen setzt sich auch Verslype täglich auseinander. Ziel müsse sein, einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum zu schaffen und die EU-Gesetzgebung gegen protektionistische Tendenzen in allen Mitgliedstaaten durchzusetzen.
Die Mentalität sei dabei das eine, technische Hürden das andere. Denn auch bei der Interoperabilität liegt in Europa vieles im Argen. Es ist inzwischen einfacher, ein Riesenflugzeug wie den A380 global zuzulassen, als eine Lokomotive für ein paar wenige europäische Staaten. Jedes Land pflegt seine Standards wie ein Gärtner sein Rosenbeet.
In diesem Bereich könne die Schweiz froh sein, nicht EU-Mitglied zu sein, hiess es am Symposium – aus dem Mund eines Europäers.
Quelle: nzz.ch |
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